Rossi droht das Saisonende
Schwerer Sturz des Motorrad-Champions in Mugello
Erstmals in seiner Karriere verletzt sich der neunfache Weltmeister gravierend. Er erleidet einen offenen Beinbruch.
Valentino Rossi beschleunigt hinter der Haupttribüne aus einer langgezogenen Rechtskurve auf die Gegengerade, und als er kurz danach an der Biondetti-Schikane ankommt, einem schnellen Links-rechts-Knick, passiert es: Beim Einbiegen mit rund 180 km/h keilt blitzartig das Hinterrad auf, der neunfache Weltmeister wird hoch in die Luft gewirbelt und schlägt anschliessend unglücklich mit dem rechten Bein auf dem Asphalt auf. Denkbar unglücklich.
Denn nach einer Traumkarriere, die ihn 15 Jahre lang dank genialem Fahrkönnen, aber auch mit einer grossen Portion an Glück vor schlimmeren Verletzungen bewahrt hatte, war diesmal etwas Ernstes passiert. Rossi winkte Hilfe herbei und wurde unverzüglich ins Medical Center gebracht, wo die Rennärzte Claudio Costa und Claudio Macchiagodena eine Viertelstunde später einen offenen Bruch des rechten Schienbeins feststellten. Rossi wurde betäubt, der Bruch sofort gerichtet und das Bein wieder in eine natürliche Position gebracht. Um zwölf Uhr mittags hob im Fahrerlager ein Helikopter ab und brachte den Superstar in eine orthopädische Spezialklinik nach Florenz, wo Rossi noch am gleichen Nachmittag operiert wurde.
Dani Pedrosa fuhr währenddessen vor Jorge Lorenzo, dem WM-Leader und Teamkollegen von Rossi, auf die Pole-Position, doch der Rossi-Sturz blieb das beherrschende Thema in Mugello. Der Yamaha-Fahrer hatte nach einer ersten vorsichtigen Runde bereits eine schnelle zweite, fliegende Runde absolviert, musste in Runde drei aber wegen zweier anderer Fahrer vorübergehend das Tempo drosseln, um Platz zu schaffen für die nächste Zeitenjagd. Die wenigen langsameren Kurven reichten dabei, den Hinterreifen so weit abkühlen zu lassen, dass er allein wegen der Motorbremswirkung, mit geschlossenem Gasgriff, beim Einbiegen in die Kurve unverhofft wegrutschen konnte.
Länger noch als die Diskussion über die Ursache des Sturzes dürfte die über dessen Konsequenzen anhalten, die weit über die Enttäuschung vieler vorzeitig abreisender Zuschauer in Mugello hinausreichen. «Tut mir leid für Valentino. Natürlich will ich viel lieber auf der Strecke gegen ihn kämpfen, als dass unser Duell auf diese Weise entschieden wird», war die erste Reaktion des neuen Titelfavoriten Jorge Lorenzo, der zwei der ersten drei Rennen gewonnen hat. Die Fortschritte Lorenzos hatten die Motorrad-WM in den vergangenen Wochen spannend gemacht. Rossi, der es gewohnt ist, die alleinige Leaderrolle innezuhaben, reagierte ziemlich dünnhäutig auf die teaminterne Konkurrenz. Lorenzo liess sich davon aber nicht beeindrucken und begann, mehr und mehr auch in die Rolle des Showmans zu schlüpfen. Der Kampf der beiden in Rossis Heimat Italien war deshalb mit Spannung erwartet worden.
Rossis Heilungszeit wurde nach der Operation in Florenz mit vier bis fünf Monaten angegeben. Das würde bedeuten, dass die Saison des Superstars zu Ende ist. Er muss zudem auch noch eine bei einem Sturz beim Moto-Cross-Fahren lädierte rechte Schulter auskurieren. Selbst wenn er in diesem Jahr noch Rennen bestreiten sollte – den WM-Titel kann er abschreiben.
Und nachdem Rossi in den 230 Grands Prix seit seinem Début am 31. März 1996 keinen einzigen Start verpasste, wird seinem Team, seinen Konkurrenten, den GP-Organisatoren und dem Publikum jetzt erstmals schmerzlich bewusst, welchen Wert das Rossi-Spektakel für die grosse Zweirad-Show bedeutet. Er ist zwar nicht die einzige, aber doch die mit Abstand wichtigste Zugnummer in der Welt des Motorradsports, sein Fehlen reisst Lücken in die Zuschauerränge ebenso wie in die mit insgesamt 17 Fahrern ohnehin schon sehr spärlich besetzte Startaufstellung.
Der schlimmste Albtraum für die GP-Veranstalter wäre, wenn sich Rossi überhaupt nicht mehr zu einem echten Comeback aufraffen könnte, wenn er die Verletzung als Wink des Schicksals sähe, den Zweiradsport ab 2011, mit 32 Jahren, den jungen Wilden zu überlassen und doch noch ganz in den Automobilsport einzusteigen. Keiner weiss es, keiner kann es zu diesem Zeitpunkt voraussagen, nicht einmal Rossi selbst. Den Fans bleibt nur die Hoffnung, dass ihr grosser Held nicht auf diese Weise von der Bildfläche verschwinden, sondern würdig abtreten will. Mit Siegen, noch besser mit einem WM-Titel – und am allerbesten als jener Held, der die 122 Karriere-Siege seines Landsmanns Giacomo Agostini überboten hat.
19 Erfolge fehlen Rossi noch bis zum Rekord.
Nooooooooooooooooooo!!!!!!!!!

.....